02.11.2019 // 12:00 – 15:00 Uhr // Königstraße
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Antifeminismus für Chancengleichheit?
Zum „Deutschen Genderkongress“.
„Unter Gender wurde bisher nur Frauenpolitik verstanden. Jedoch erleiden heute primär Männer, Väter und Jungen massive Benachteiligungen in Deutschland.“¹ Diese dort im Folgenden nicht näher begründete Behauptung findet sich auf der Website des sogenannten „Deutschen Genderkongresses“, der vom 1.-3. November 2019 bereits zum dritten Mal in Nürnberg stattfindet. Dieser Kongress hat es sich nach eigener Aussage zur Aufgabe gemacht, „Geschlechterpolitik […] in einem ganzheitlichen Sinne [zu interpretieren]“² : Nicht nur um die Diskriminierung von Frauen soll es nach Meinung der Veranstalter gehen, sondern um alle Geschlechter. Das klingt gut. Die Behauptung der Veranstalter, für „Chancengleichheit für Männer und Frauen in allen Lebensbereichen“² zu stehen, klingt nobel und ganz und gar nicht nach frauenhassenden Rechten und homo- und transsexuellenfeindlichen Konservativen. Um eben so ein Milieu handelt es sich aber beim sogenannten Genderkongress.
Die Veranstalter und die Verbände und Initiativen, auf deren Arbeit der Kongress nach deren Aussage³ inhaltlich basiert, sind zum größten Teil der sogenannten „Männerrechtsbewegung“ zuzuordnen und stehen teilweise (extrem) rechten sowie christlich-fundamentalischischen Kreisen nahe. So ist es auch nicht erstaunlich, dass sich unter den angekündigten Referenten auch Autoren finden, die beispielsweise in rechten Verlagen wie dem Manuscriptum Verlag (u.a. Jürgen Elsässer, Björn Höcke und Alexander Gauland) publizierten, und unter den auf der Kongress-Website aufgeführten Verbänden und Initiativen auch die sogenannte „Demo für Alle“, die sich u.a. dem Kampf gegen eine angebliche „Indoktrination der Kinder […], z.B. durch Infragestellung der natürlichen Geschlechter und Familienbilder“⁴ verschrieben hat – also dem Krieg gegen alles, was Kindern zu vermitteln versucht, dass es z.B. auch Menschen gibt, die nicht-heterosexuell begehren.
In der wahnhaften Weltsicht dieser Menschen haben liberale feministische Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte dazu geführt, dass es heute vorrangig Männer und Jungen sind, die „massive Benachteiligungen“ erfahren – die Medien und Politik aber überwiegend (absichtsvoll, wie es scheinen muss) ignorieren¹ . So ist auf der Website des Kongresses beispielsweise von einer sehr viel höheren Selbstmordrate unter Männern, schweren Arbeitsunfällen, von denen hauptsächlich Männer betroffen sind, und von zu 90% männlichen Obdachlosen die Rede¹ . Und tatsächlich stimmt zum Teil auch, was da steht: Männer begehen öfter Suizid als Frauen, sind öfter von schweren Arbeitsunfällen betroffen und es sind ebenso hauptsächlich Männer, die obdachlos sind. Für die Männerrechtsbewegten sind diese Tatsachen aber nicht auf eine patriarchale Zweigeschlechtlichkeit zurückzuführen, die Frauen nicht als Subjekte anerkennen mag und ihnen daher eine gesellschaftlich passive Rolle zuweist, während von Männern erwartet wird, „Versorger“ und „Beschützer“ zu sein und dabei nur keine Schwäche zu zeigen. Vielmehr wittern sie hinter all den Zurichtungen, denen Männer ohne Frage ausgesetzt sind, eine Art feministische Verschwörung gegen den Mann. Sie fantasieren sich ein ihn unterdrückendes „Feminat“ herbei, weil für sie Emanzipationsbestrebungen von Frauen, Homo- und Transsexuellen ein Verbrechen sind und Unterdrückung bedeuten. Diese Zumutung können und wollen sie nicht aushalten und sehnen sich deshalb eine Welt herbei, wie sie früher (vermeintlich) einmal war: mit Frauen hinter dem Herd und Männern als alleinigen Versorgern der Familie, ohne nervige Nestbeschmutzerinnen und aufbegehrende Schwule, Lesben und Transleute. Die eigene Frauen-, Homo- und Transsexuellenfeindlichkeit sowie das paranoid-verschwörungstheoretische Weltbild sollen dann kaschiert werden, indem man sich selbst (d.h. die vermeintlich unterdrückten Männer und Jungen) als Opfer inszeniert.
Die Veranstalter des Genderkongresses behaupten, ein Leben frei von Diskriminierung zu wollen. Letztendlich steckt hinter all den noblen Bekenntnissen zur „Chancengleichheit“ der Geschlechter aber nur eins: eine durch und durch antiemanzipatorische und frauenfeindliche Veranstaltung, die von allen, denen tatsächlich etwas an einem Ende patriarchaler Zumutungen liegt, als solche erkannt und aufs Schärfste kritisiert werden muss.
¹ https://www.genderkongress.org/ziel/
² https://www.genderkongress.org/
³ https://www.genderkongress.org/verbände/
⁴ https://demofueralle.blog/eine-seite/wer-wir-sind/