Das neue Jahr hat begonnen und die Termine für das Berufungsverfahren im Jamnitzerprozess gegen zwei Genossen stehen fest.
Am Dienstag, den 02.02.2021 sowie am Freitag, den 12.02.2021 werden die Gerichtsurteile vom 06.10.20 überprüft. An diesem Tag wurde einer der beiden Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, der zweite zu einem Jahr und drei Monaten. Beide Haftstrafen wurden nicht zur Bewährung ausgesetzt.
Grundlage für dieses Urteil waren die Ereignisse einer Juninacht 2019 auf dem Jamnitzer-Platz im Nürnberger Stadtteil Gostenhof. Damals musste sich die Polizei zurückziehen, nachdem sich Menschen gegen eine weitere schikanöse Kontrolle der Polizei solidarisiert hatten.
Der Platz ist ein Zentrum des stark von Gentrifizierung betroffenen Stadtteils und wird von unterschiedlichsten Interessensgruppen genutzt. Sehr zum Unmut jedoch für einige der neuen Nachbar:innen. Chic und lebendig soll das Szeneviertel sein, sowie ein ausreichendes Restaurant-, Bar- und Bioangebot zur Verfügung stellen. Um 22 Uhr sollen die Gehsteige jedoch hochgeklappt werden und sichtbare Armut soll allgemein aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Das neu hinzugezogene Besitzbürgertum fördert nicht nur die Gentrifizierung mit all ihren negativen Begleiterscheinungen, sondern will auch die Regeln neu gestalten. Das meist friedliche und auf Toleranz basierte nebeneinander-Existieren am Jamnitzer ist aber zu eingespielt und zu wichtig für das Funktionieren des Stadtteils, als dass es sich die Gostenhofer:innen konfliktfrei nehmen lassen würden.
Und hier kommt die Polizei ins Spiel. Mittlerweile werden fast täglich Parknutzer:innen von einer immer aggressiver auftretenden Polizei belästigt. Menschen werden geschubst, geschlagen, beleidigt und begrabscht – das macht Wut im Bauch. Verwunderlich also nicht, dass die meist friedliche Stimmung am Platz mit dem Eintreffen der Polizei vorüber ist. Verwunderlich ist auch nicht, dass sich die Menschen die Schikanen nicht ewig unwidersprochen gefallen lassen. Schon eher verwunderlich, dass die Polizei die Situation an diesem Abend nicht hat eskalieren lassen und ihre Schikane einstellte. Trotz angerückter Verstärkung verzog sich die Polizei nämlich nach lautstarken Solidaritätsbekundungen vieler Menschen aus dem Park.
Scheinbar wollte die Polizei dies jedoch nicht auf sich sitzen lassen. Es genügt der Polizei nicht mehr, Ordnungswidrigkeiten nur zu ahnden. Um die gewünschte Handhabe gegen den gelebten zivilen Ungehorsam zu haben, werden bürgerkriegsähnliche Zustände am Jamnitzer-Platz herbei fantasiert und Straftaten konstruiert. Und das – wie so oft, wenn es um Gostenhof geht – mit kräftiger Unterstützung der Lokalzeitung Nürnberger Nachrichten. Diese bauschte, nachdem die ursprüngliche Polizeimeldung zu den Vorfällen im Park noch reichlich unspektakulär klang, das Geschehen maßlos auf. Auch die Staatsanwaltschaft zog daraufhin – offenbar politisch motiviert – nach und stellte die Ereignisse ebenfalls so drastisch wie möglich dar.
Um der eigenen Darstellung Gewicht zu verleihen, soll nun an zwei Menschen ein Exempel statuiert werden. Der Vorwurf: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung. Es wird sich eine überspitzte Darstellung des Geschehens ausgedacht, ein Schauprozess gehalten und ein Skandalurteil gesprochen. So wird aus einer sich spontan solidarisierenden Menschenmenge, ein „im Gleichschritt marschierenden“ Mob und ein Angeklagter willkürlich zum Rädelsführer stilisiert. Dem anderen, der laut eines Zeugen an jenem Abend nicht einmal vor Ort war und dessen Identifizierung mehr als fragwürdig verlief, wird vorgeworfen, er habe mit einer Holzlatte, an die sich kein Mensch außer einer einzigen Polizistin erinnern kann, bewaffnet eben jener Polizistin gedroht. Wie kann es sein, dass eine einzige, zutiefst widersprüchliche Aussage einer Polizistin ohne Beweise ausreicht, einem Menschen eineinhalb Jahre Freiheit zu rauben, obwohl Zeugenaussagen belegen, dass dieser Betroffene nicht vor Ort gewesen sein kann? Selbst in der Anklageschrift ist zu keinem Zeitpunkt von physischer Gewalt die Rede – eher wird die verbale Unmutsbekundung gegenüber der Polizei zum Widerstand konstruiert. Ausreichend für den Richter, mit dem Verweis auf das PAG, beide zu jeweils etwa 1,5 Jahren Haft zu verurteilen. Es sind völlig unnötige, unverhältnismäßige und zudem rechtlich lückenhafte Urteile.
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Urteilsforderung außerdem betont, es gehe um Prävention und darum, dass am Jamnitzer-Platz keine Nogo-Area entstehen dürfe. Deswegen müsse der Rechtsstaat mit voller Härte zurückschlagen. Dabei ist das einzige, das den Jamnitzer-Platz zur Nogo-Area machen könnte, die massive kontinuierliche Polizeipräsenz! Und der beschworene rechtsfreie Raum scheint in Wahrheit das Amtsgericht zu sein!
Während Schauprozesse geführt werden, weigert sich der Staat den NSU-Komplex aufzulösen. In den staatlichen Gewaltorganen wie Bundeswehr und Polizei offenbart sich ein rechtsmilitantes Netzwerk nach dem anderen, struktureller Rassismus wird immer sichtbarer, ein Skandal jagt den anderen und trotzdem werden sie alle als Einzelfälle verharmlost. Als wäre das nicht schlimm genug, wird die Polizei unter anderem durch das PAG mit immer mehr Befugnissen ausgestattet, Strafrahmen verschärft, und die Grenzen zwischen Geheimdiensten und Polizei verwischt. Zeitgleich werden unsere Rechte beschnitten und schon die kleinsten Widersprüche, wie die Aufforderung an die Polizei, sich zu verpissen, werden mit Gefängnis vergolten. Kriminalisierte Vorfälle, wie die der besagten Juninacht, werden als Legitimation für solche Aufrüstung der Polizei durch das PAG hergenommen. Es ist eine offene Vorbereitung des Staates auf sich zuspitzende gesellschaftliche Missstände durch kapitalistische Strukturen.
Weder die Polizeigewalt, noch die rechtlichen Beschneidungen der Zivilgesellschaft durch die Politik sind tragische Einzelfälle – sie haben System! Es ist unsere gemeinsame Aufgabe diese Entwicklung aufzuhalten. Denn von den Zuständen betroffen sind wir alle! Zeigt euch solidarisch und kämpft für unser aller Rechte und Freiheit. Nur durch gemeinsamen Kampf konnten wir sie erringen – nur durch gemeinsamen Kampf können wir sie erhalten.
Lasst uns gemeinsam auf die Straße gehen, um zu zeigen, dass wir dieses Urteil nicht hinnehmen werden!
Teilt unsere Social-Media-Berichte und kommt zu unserer Demonstration am 30.01.2021 um 14 Uhr am Jamnitzer-Platz.