Gerechtigkeit für Lorenz

Schon wieder hat die Polizei einen schwarzen Menschen ermordet. Lorenz wurde am 20.04.2025 von hinten mit drei Schüssen in Hüfte, Oberkörper und Kopf durch die Polizei Oldenburg erschossen. Eine Kugel streifte Lorenz’ Oberschenkel, eine Kugel verfehlte. Der Tod des
21-Jährigen reiht sich ein in die Kontinuität rassistischer Morde durch die Polizei in Deutschland an People of Color. Mouhamed Lamine Dramé, Qosay Khalaf, Halim Dener, Achidi John, Amad Ahmad, Rooble Warsam, Christy Schwundeck und Ouri Jalloh sind nur wenige von vielen, die ihr Leben, direkt oder indirekt, durch die Polizei verloren.


‚Rassistische Mörderbullen ermitteln gegen rassistische Mörderbullen‘


Im staatlichen Standardvorgang nach Polizeimorden ermittelt die Polizei gegen sich selber. Dabei kam es bis jetzt in kaum einem Fall zu belastbaren Ergebnissen. Im Gegenteil, die Polizei verstrickt sich meistens selber in Lügen und Falschaussagen. Nach dem Mord an Ouri Jalloh behauptete die Polizei er hätte sich in der Zelle selbst angezündet. Die Initiative in Gedenken an Ouri Jalloh konnte sowohl beweisen, dass Ouri sich unmöglich selbst angezündet haben konnte, als auch, dass er vor seinem Tod schwer misshandelt worden war. Auch die Ermittlungen
der Polizei Frankfurt gegen die Frankfurter Polizei, die in internen Chatgruppen misogyne, antisemitische und rassistische Hetze verbreitete und Drohmails, unterschrieben mit ‚NSU2.0‘, verschickte, führten, Überraschung, zu keinem Ergebnis. Anstatt den strukturellen
Rassismus der Polizei anzuerkennen verbreiten Polizei und Behörden das Narrativ von einem unglücklichen Einzellfall nach dem anderen. Um dieses Narrativ zu wahren, werden interne Ermittlungen aktiv blockiert und zum Teil Beweise gefälscht oder beiseite geschafft. Im Gegensatz dazu wurden die Befugnisse der Polizei gegenüber der Bevölkerung in den letzten Jahren drastisch erweitert. Nach dem Mord an Lorenz ermittelt jetzt die Polizei Delmenhorst gegen die Polizei Oldenburg. Nachdem 2021 Qosay Khalaf in einer Polizeiwache in Delmenhorst starb, ermittelte die Polizei Oldenburg – das Verfahren wurde eingestellt. Rassistische Morde durch die Polizei sind nicht das Ergebnis einiger fauler Äpfel oder verwirrter Einzeltäter, sondern das System funktioniert wie gewollt. Rassismus und Kapitalismus sind
miteinander verschränkt und werden vom staatlichen Gewaltmonopol gestützt und genutzt.


Kein Freund, Kein Helfer


Die Polizei schützt uns nicht. Die Polizei schützt den Staat und seine Herrschaftsmechanismen, also die Aufrechterhaltung der weißen Vorherrschaft, des Patriarchats, des Kapitalismus und des Ableismus. Klar kann die Polizei auch sinnvolle Aufgaben übernehmen, wie die Regelung des Verkehrs nach einem Unfall. Das können wir aber selber genauso gut. Dafür brauchen keine hochgerüsteten Bullen, die uns erklären wo wir entlang zu fahren haben und die drohen unsere
schwarzen Freund*innen zu erschießen, wenn sie sich nicht daran halten. Wenn wir die Polizei weiterhin mit Waffen und weiteren Befugnissen ausstatten, wird sie unsere schwarzen Freund*innen weiterhin töten. Wenn wir weiterhin auf staatliche, gewaltorientierte Lösungskonzepte setzten werden wir die staatlichen Herrschaftsmechanismen erhalten.


Schaffen wir die Polizei ab


Die Polizei ist nicht reformierbar. Sie entstand als Institution, um Proteste niederzuschlagen, Arbeitszwang durchzusetzen, die Gesellschaft zu überwachen, das Eigentum einiger weiger zu sichern und die staatliche Herrschaft zu festigen. Das ist auch heute noch ihre Aufgabe
und das wird sich auch nicht ändern, wenn die Polizei queerer, migrantischer oder auf sonst irgendeine Art diverser wird. Bullen werden auch nicht weniger gefährlich für schwarze Menschen, wenn sie sich in ihrer Ausbildung mehr mit Rassismus beschäftigen müssen.
Stattdessen wollen wir den Bullen die Waffen wegnehmen und alle Mittel und Kapazitäten, die für den staatlichen Polizeiapparat verwendet werden in den Bau von Schulen, Wohnprojekten, Gewaltprävention und anderen sinnvollen Community-Projekten stecken. Wir wollen für Communities kämpfen, die nach außen widerstandsfähig sind und nach innen respektvoll und auf Augenhöhe miteinander leben. Anstatt die Polizei zu verändern wollen wir dafür kämpfen sie abzuschaffen. Lasst uns sorgsam miteinander sein, sodass wir gemeinsam gefährlich sein können. Anarchie heißt gegenseitige Hilfe und gemeinsamer Angriff.

Transformative Gerechtigkeit


Ein Ende der Polizei bedeutet natürlich noch lange kein Ende von Grenzüberschreitungen oder übergriffigem Verhalten. Doch eine ehrliche Auseinandersetzung mit vorgefallenen Grenzüberschreitungen wir erst dann überhaupt möglich, wenn die Verantwortung nicht an die
Bullen oder andere staatliche Strukturen ausgelagert wird. Wie können Konzepte aussehen, die eine solche Verantwortungsübernahme möglich machen? Cis und Trans Frauen of Color in armen
Communities in den USA stellten sich diese Frage in den 1990er Jahren. Die Polizei war und ist für sie eine reale Lebensgefahr, die in Konfliktfällen nicht gerufen werden konnte und kann. Daraufhin entwickelten sie, auf Basis von Ansätzen von indigenen Communities, das Konzept der Transformativen Gerechtigkeit. Im Gegensatz zu staatlicher Repression, deren Ziel es ist, die Herrschaftsverhältnisse aufrecht zu erhalten, zielt transformative Gerechtigkeit darauf ab die
Verhältnisse zu verändern, die den Konflikt oder Übergriff hervorgebracht haben. Dabei sieht sie den Konflikt nicht nur als Folge der individuellen Merkmale von Einzelpersonen, sondern als Ergebnis struktureller, gesellschaftlicher Merkmale. Deswegen beziehen transformative Gerechtigkeitsprozesse auch immer die Community mit ein; das Ziel ist gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme. Transformative Gerechtigkeit macht es auch überhaupt erst möglich
Übergriffen vorzubeugen. Die Bullen kommen immer erst danach und machen dann alles noch viel schlimmer.

Gerechtigkeit für Lorenz


Weitere Bullenmorde werden wir verhindern, indem wir die Polizei abschaffen, indem wir gemeinschaftliche Selbstverwaltung und Selbstverteidigung lernen und gegenseitige Hilfe und transformative Gerechtigkeit praktizieren. Und, indem wir für Gerechtigkeit für die Menschen kämpfen die die Polizei schon auf ihrem Gewissen hat. Nach einem Streit in einer Disko wurde Lorenz von der Polizei aufgehalten. Dann tötete sie ihn von hinten mit fünf Schüssen und drei
Kugeln in Hüfte, Oberkörper und Kopf. Die Körperkamera der Polizist*innen war ausgeschaltet. Unsere Gedanken sind bei Lorenz’ Familie und Freund*innen. Wir wünschen ihnen Kraft und möchten sie unterstützen in ihrem Kampf für Gerechtigkeit und gegen weitere Morde durch die Polizei. Dafür wurde unter gofundme.com/f/gerechtigkeit-fur-lorenz ein Spendenkonto eingerichtet.

Für ein Ende der Morde, für ein Ende der Polizei, für
gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme, Solidarität und
gegenseitige Hilfe!


(A)