Haftstrafen ohne Bewährung weil: Polizei angeschrien

Wegen einer Auseinandersetzung zwischen Parknutzer_innen und Polizei auf dem Jamnitzer Platz in Nürnberg im Juni 2019 wurde diesen Herbst vor dem Amtsgericht Nürnberg verhandelt. Der Vorwurf: Widerstand gegen die Staatsgewalt. Der Prozess offenbarte einen politisch motivierten
unbedingten Verurteilungswillen, der auf Kosten der Wahrheitsfindung durchgesetzt wurde. Einer der beiden Angeklagten wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten verurteilt, der andere zu einem Jahr und 3 Monaten. Beide Freiheitsstrafen wurden nicht zur Bewährung ausgesetzt.

Den beiden Angeklagten wurde vorgeworfen, am 28.6.2019 am Jamnitzer Platz einer weiteren schikanösen Polizeikontrolle, gemeinsam mit vielen anderen Nutzer_innen des Platzes, ein frühzeitiges Ende beschert zuhaben – und das lediglich mit verbalen Unmutsbekundungen.
Polizeizeug_innen und Staatsanwalt waren sich einig, dass es zu keiner Anwendung von Gewalt kam. Die eingesetzten Beamt_innen wurden nicht einmal berührt. Auch in der Pressemitteilung der Polizei zu eben jenem Tag war lediglich von „lauter Ruhestörung“ die Rede. Nichtsdestotrotz wurde das Ereignis im Nachhinein von Polizei und Medien zu einem Versuch der Errichtung von „rechtsfreien Räumen“ stilisiert.
Im Prozess hat sich herausgestellt, dass dieses Konstrukt auch von Staatsanwaltschaft und Gericht übernommen wurde. Selbst der Staatsanwalt gab in seinem Plädoyer zu, dass es eher um die Verurteilung der Meinung der Angeklagten gehe, als Sachverhalte und Wahrheit aufzuklären. In seinen Augen sei es grundsätzlich nicht in Ordnung, sich der Polizei gegenüber ablehnend zu verhalten und dies laut zu äußern. Dies müsse mit der vollen Härte des Staates bestraft werden. Da waren Fragen der Sachaufklärung und der Wahrheitsfindung offensichtlich nicht mehr sehr wichtig.

Die Beweisaufnahme wies riesige Lücken auf, die Identifizierungsmethode war im besten Fall lückenhaft, insbesondere die dubios zusammengestellten Wahllichtbildvorlagen zeugten von dem Wunsch, den Verdacht manipulierend auf die Angeklagten zu lenken. Die Verteidigung beklagte, dass potentiell entlastende Zeug_innenaussagen in der Akte fehlen würden. Noch deutlicher: Ein entlastender Zeuge erklärte vor Gericht, dass einer der beiden Angeklagten an diesem Tag nicht einmal anwesend gewesen war. Diese Aussage wurde von Staatsanwaltschaft und Richter als weniger wert eingeschätzt, als die Aussage einer Polizeipraktikantin. Diese konnte sich recht detailliert an das Aussehen eines an dem Vorfall beteiligten erinnern. Obwohl diese Beschreibung eigentlich so gut wie überhaupt nicht mit dem Aussehen des Angeklagten übereinstimmt, wurde er dennoch verurteilt. Diese Zeugin war auch die einzige, die den schließlich zur höheren Strafe Verurteilten gesehen haben will. Bezüglich des anderen Angeklagten sagten die polizeilichen Zeug_innen – in teils identischen Formulierungen – übereinstimmend aus, er hätte gewusst, wie weit er gehen kann und er hätte die Beamt_innen lediglich angeschrien. Das Anschreien von Polizeibeamt_innen möchte das Amtsgericht Nürnberg aber mittlerweile mit Haftstrafen ohne Bewährung ahnden.

Der Prozess wurde von Seiten der Staatsanwaltschaft mit Hilfe der Staatsschutzpolizei äußerst politisch geführt. Dies machte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer selbst noch einmal deutlich.
Der Verfolgungs- und Verurteilungswille war enorm. Die Verurteilung der beiden Angeklagten und die Strafmaße stellen ein Skandalurteil jenseits von Gut und Böse dar. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig.
Bei einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude begleiteten 30 Teilnehmer_Innen den Prozess solidarisch. Für den Abend wurde zu einer Spontandemo im Stadtteil Gostenhof aufgerufen.

Eine ausführliche Berichterstattung folgt.

Auf der Suche (Anarchistische Gruppe Nürnberg)
und
Prolos

06.10.2020 || 13:00 Uhr || Solidarische Prozessbegleitung – Jamnitzer – No cops no stress!

 
Vergangene Woche fand der Prozess gegen 2 Genossen statt. Der Vorwurf lautet schwerer Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und dem einen wird noch zusätzlich Beleidigung von Vollstreckungsbeamten vorgeworfen. Der Prozess lief schlechter als erwartet und deswegen gibt es jetzt einen zweiten Termin.
 
Die Lokalpresse fabuliert von gewalttätigen linken Chaoten, während Verfolgungsbehörden wie der Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft mit allen Mitteln versuchen dieses Bild zu verfestigen. Die Vorwürfe sowie die Beweislage sind vollkommen absurd und an den Haaren herbeigezogen.
Der Fall zeigt exemplarisch wie der Staat gegen linke Aktivist*innen vorgeht. Es wird versucht rund um die Geschehnisse am Jamnitzer Platz Sündenböcke zu finden und ein Exempel an ihnen zu statuieren – aber macht euch am besten selbst ein Bild vom Prozessgeschehen und kommt am Dienstag den 06.10. um 13 Uhr zum Pitstop beim Amtsgericht Nürnberg-Fürth.
 
Es hätte an diesem Abend viele treffen können aber die Repression hat zwei getroffen…wir sind jedoch alle gemeint.
 
Zeigt euch solidarisch!

Solishirts

Diese schicken Soli-Shirts für Antirepressionsarbeit gibt es jetzt bei uns zu erwerben! Wir werden demnächst noch die Möglichkeiten auflisten, wo ihr die Shirts sonst noch bekommen könnt. Ansonsten könnt ihr uns auch einfach eine Mail schreiben!

22.09.2020 || 8:00 Uhr || Solidarische Prozessbegleitung – Jamnitzer – No cops no stress

Solidarische Prozessbegleitung – Jamnitzer – No cops no stress

Im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz auf dem Jamnitzer Platz steht am 22. September ein weiterer Prozess gegen zwei Menschen an. Der Vorwurf ist allen Ernstes, dass im Juni 2019 Polizeikräfte laut und unfreundlich aufgefordert worden sein sollen, den Jamnitzer Platz zu verlassen und die Parknutzer_innen in Ruhe zu lassen. Dieser Prozess findet statt, während Milliardär_innen der Gesellschaft ungestraft Unsummen stehlen und während der fränkische Zweig des NSU-Netzwerkes weiterhin von der Justiz völlig unbehelligt bleibt. Staatsanwaltschaften haben eben Prioritäten!
Kommt am Dienstag den 22.09. um 08:00 Uhr zum Pit Stop beim Amtsgerichts und zeigt euch solidarisch mit den Betroffenen!

 

Jamnitzer für alle – gegen eine Stadt der Reichen!

Die gestrige Kundgebung, die wir gemeinsam mit den Prolos ausgerichtet haben, war ein voller Erfolg! Unter dem Motto „Jamnitzer für Alle – gegen eine Stadt der Reichen“ versammelten sich Circa 200 Menschen über den Tag verteilt am Jamnitzer. Wir wollten mit der Kundgebung ein Zeichen setzen gegen Gentrifizierung, Repression und Polizeigewalt. Ziel war es auch, eine Gegendarstellung zu den in der Presse abgetippten Polizeiberichten zu machen. So wurde in zahlreichen Redebeiträgen und am open mic auf die Frage eingegangen, wer den Platz mit welchem Recht wie nutzt und mit Leben füllt. Ferner ging es auch um das übergeordnete Thema Gentrifizierung und die damit einhergehende Verdrängung. Auf einer Pinnwand wurde den Anwesenden die Möglichkeit gegeben, auszudrücken, was sie sich für den Platz wünschen und was sie am Jamnitzer stört. Die Meisten wünschen sich mehr Grün, eine öffentliche Toilette und einen überdachten Raum wie etwa einen Pavillon. Was die Leute stört: die permanente Polizeipräsenz.
Untermalt wurde der inhaltliche Ausdruck von Live-Musik von Endlich Schlechte Akustik und lockerem DJing. Außerdem wurden T-Shirts mit dem Aufdruck „Jamnitzer – No Cops No Stress“ verkauft. Um auch den vielen Jamnitzer-Kindern einen Raum auf der Kundgebung zu geben, organisierten die Falken ein Kinderprogramm, an dem sich viele Kinder mit Diabolo-Spiel und Ähnlichem erfreuten.
Auch die lokale Presse hat berichtet.

Archiv: 09.04 | Soliabend

Soliabend für die Angeklagten im Fall „Netzwerk“ am 9. April um 19:00 Uhr im Projekt 31

Im April laden wir euch zu einer Solikneipe mit veganem Essen für alle herzlich ins P31 ein! An diesem Abend wollen wir unsere Solidarität mit den russischen Antifaschist*innen und Anarchist*innen, die von Repression betroffen sind, zeigen.

Seit 2017 fährt der russische Staat sämtliche ihm zu Verfügung stehende Mittel auf, um diese Bewegung zu kriminalisieren. Mit Hilfe des FSB (Inlandsgeheimdienst) konstruierte der russische Staat eine Terrororganisation, genannt “Netzwerk”. Mit Hilfe dieser erfundenen Terrororganisation rechtfertigt er Verschleppungen, Folter und Knast für unsere Genoss*innen. Aktuell sind ca. 10 Personen betroffen. Mit ihnen wollen wir uns solidarisieren.

Dazu gibt es lecker veganes Essen, Solidrinks und Informationen zum aktuellen Stand der (Un-)Dinge. Also kommt zahlreich vorbei und zeigt unseren Genoss*innen, dass sie nicht alleine sind!

Mehr Infos findet ihr unter: www.rupression.com

Edit: Hier ist das entstandene Solifoto!

Archiv: Gegen den Staat und seine Knäste – Solidarität mit den Angeklagten vom 31.Mai!

Am 2.8. fand vor dem Amtsgericht Nürnberg der insgesamt fünfte Prozess gegen einen Aktivisten vom 31.Mai 2017 statt. Gegen das Urteil gegen ihn (Geldstrafe) hat die Staatsanwaltschaft bereits Berufung eingelegt. Ein ausführlicher Prozessbericht darüber findet sich auf der Seite der Antirepressionskampagne Ausbruch Aufbruch Anarchie.
Wir veröffentlichen an dieser ein ausführliches Statement unserer Gruppe zu den Prozessen rund um den 31.Mai und unserer Kritik am Knastsystem insgesamt. In verkürzter Form wurde dieses Statement auf der Kundgebung am 2.8. als Rede verlesen.
Außerdem rufen wir dazu auf, auch bei den kommenden Prozessen die Angeklagten solidarisch zu unterstützen. Das nächste Verfahren gegen diesmal zwei Personen gleichzeitig wird am 21.9. stattfinden.


Dies ist bereits das fünfte Mal, das wir uns infolge des 31.Mais zu einem Prozessauftakt hier versammeln.
Wenn ihr euch noch erinnert, wie sich mutige Menschen gegen eine Abschiebung und die damit verbundene Gewalt der Polizei gestellt haben, wie für einen Tag die Kraft der Solidarität die staatlichen Zwänge überwunden hat, dann erinnert ihr euch sicherlich auch an das Gefühl der Verbundenheit, das an diesem Tag einander fremde Menschen zusammengeschweißt hat. Diese Kraft der Solidarität ist am heutigen Tag wieder zu spüren.

Nur mit den Bändern der Solidarität und Freundschaft können wir uns gegen jene stellen, die uns gespalten und vereinzelt sehen wollen.
Genau das war auch der Fall, als der Staat in Form seines Schläger*innentrupps von seiner autoritären Macht gebrauch machen wollte, um Asif aus der Schule zu ziehen, ihn zu entführen und anschließend in ein Kriegsgebiet zu verschleppen. Dass wir uns gegen diesen brutalen Akt des einfältigen Gehorsams zur Wehr gesetzt haben, war das einzig richtige! Dass ein Staat das “Recht” hat, Menschen in den Tod zu schicken und andere wegzusperren, die sich gegen dieses Greueltaten stellen, zeigt wieder einmal, was für ein schreckliches Konstrukt der bürgerliche Staat ist.

Die Solidarität hat uns an diesem Tag so stark gemacht, weil wir uns nicht haben spalten lassen, sondern zusammen standen. Zusammen gegen die Verbrechen des Staates. Zusammen gegen die Unterdrückung von Menschen anderer Herkunft. Zusammen für eine solidarische Perspektive.

Es sind die Solidarität und der Widerstand, die uns heute hier stehen lassen. Es ist keineswegs so, dass wir uns sonderlich gerne in diesem Gerichtsgebäude aufhalten. Denn nicht nur steht es wieder einmal dafür, wie unsere Freund*innen für ein Handeln bestraft werden sollen, das wir in jeder Weise für gut heißen.

Nicht nur steht für unseren Genossen heute die wenige Freiheit auf dem Spiel, die ein wachsender Überwachunsgstaat in seinen engen Maßstäben überhaupt noch zulässt.

Nicht nur geht es heute darum, der staatlichen Nacherzählung des 31.Mais, die die tatsächlichen Geschehnisse ins Gegenteil verkehren möchte, etwas entegenzusetzen.

Nicht nur sind wir wütend, weil unser Genosse wegen einer vollkommen richtigen Handlung vor Gericht steht und wir als solidarische Zuschauer*innen auch noch schikanöse Auflagen erhalten. Es sind doppelte Kontrollen mit Ausweiskopien vorgesehen und außerdem wurde die lächerliche Anweisung ergänzt, dass Zuschauer*innen nicht “verwahrlost” aussehen dürfen. Hier sehen wir wieder, wie kleinkariert diese Menschen sind. Deren Horizont hört da auf, wo der Fleck auf dem Tshirt anfängt.

Nein, so unträglich allein diese Gründe auch sind: Es geht heute auch, wie bei jedem einzelnen juristischen Verfahren, um weitaus mehr. Für den Staat ebenso wie für uns. Denn es ist kein Geheimnis, dass die Justiz einzig und allein der Aufrechterhaltung staatlicher Herrschaft dient und allen Ungleichheiten, die damit einhergehen. An diesem Fakt ändern auch noch so schöne Schaubilder von der “Gewaltenteilung” nichts, ebenso wenig wie die Schwarz-Weiß-Malerei von “Schuld und Unschuld” oder das Märchen von der “Gleichheit vor dem Gesetz”. Denn wie diese angebliche Gleichheit aussieht, lässt sich unter anderem an den Prozessen rund um den 31.Mai gut erkennen: Amtsträger*innen des Staates werden so unantastbar, dass selbst eine harmlose Berührung schon in Freiheitsstrafen endet, während selbige Amtsträger*innen gleichzeitig hemmungslos und ungestraft Gewalt ausüben können. Trifft die Gewalt doch zumeist jene, die in dieser Gesellschaft kaum eine Stimme haben, die “Überflüssigen” und jene, die zurechtgebogen werden müssen, damit sie Staat und Kapital nützlich sind.

Am 31.Mai jedoch war etwas anders. Diesmal war ein breiterer Querschnitt der Gesellschaft von der Gewalt des Staates betroffen. Entsprechend laut war der Aufschrei. Doch so wichtig die Aufarbeitung der Ereignisse dieses Tages aus unserer Sicht auch ist, wir dürfen dabei eine Sache nicht vergessen:
Die Gewalt, die am 31.Mai auch die Öffentlichkeit unverstellt zu sehen bekam, ist alltäglich. Es ist dieselbe Gewalt, die Geflüchtete mit zynischen Kommentaren nach Afghanistan und in den Tod abschiebt; dieselbe Gewalt, die Menschen an den Außengrenzen Europas zu Tausenden sterben lässt und gleichzeitig weltweit Armut und Krieg generiert. Dieselbe Gewalt, die sich innerhalb Europas und Deutschlands gegen die sozial Ausgegrenzten richtet. Neben Geflüchteten oder migrantisch definierten Menschen, Arbeitslosen oder Arbeitsunwilligen, trifft sie oft Arme, Drogenabhängige, Lebenskünstler*innen, Rentner*innen usw. Für sie gibt es meist keinen Platz in der gegenwärtigen Gesellschaft.

Die Gewalt gegen sie, gegen uns alle ist es, was den modernen Staat und seine Demokratie schützt, stützt und im Kern definiert. Sie ist deshalb nichts, was sich durch Unterschriftenkampagnen oder das Wählen einer anderen Partei auflösen ließe; kein moralisches Unding, das wir einzelnen Täter*innen vorhalten können, um tadelnd Besserung anzumahnen.

Bei aller gerechtfertigten Wut auf jene, die das Prügeln zu ihrem Handwerk gemacht haben: Eine Individualisierung dieser Gewalt, wie Gerichte sie bei den seltenen Prozessen gegen Polizist*innen vorzunehmen versuchen, trägt nur dazu bei, den eigentlichen Ursprung der Gewalt zu verschleiern.
Gewalt beruht auf Macht und hat als solche ein in sich völlig logisches System. Ein Staat versucht sich in erster Linie immer selbst zu schützen – und damit die Machtverhältnisse, auf denen er aufbaut. Es geht hierbei vor allem darum, die gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Aber auch die Bewahrung von Mechanismen wie beispielsweise Rassismus und Sexismus spielen eine Rolle, weil sie ebenso dazu dienen, Herrschafts- und Unterdrückunsgverhältnisse zu bewahren. Mit konkreter und struktureller Gewalt sollen hierbei Privilegien nur für bestimmte Menschen gelten, während ein Leben in Würde und Selbstbestimmung anderen verwehrt wird.

Die überwiegende Zahl sowohl der Strafgesetze als auch der Strafverfahren beziehen sich entweder auf den Schutz von Eigentum oder den Schutz des Staatskörpers. Wer hierin den Zusammenhang nicht erkennen mag; wer nicht sieht, dass der Staat nur ein Garant bürgerlicher Herrschaft ist – der ist wohl auch noch immer in dem Denken gefangen, dass die parlamentarische Demokratie mit ihrem Parteien- und Mehrheitssystem jemals so etwas wie echte Gleichberechtigung und Mitbestimmung aller bringen könnte. Doch so wie der demokratische Staat nichts anderes ist, als ein funktionierender Verwalter des gut geschmierten Kapitalismus, so ist auch die Justiz nicht anderes als ein Instrument zur Aufrechterhaltung der Herrschaft von Kapital und Staat. Mit ihrer Hilfe sollen jene, die gerade Macht und Privilegien besitzen, diese behalten und sogar noch ausbauen können. Und auf der anderen Seite soll dafür gesorgt werden, dass der Rest auch weiter fügsam die Maschinerie am Laufen hält.

Ausbeutung, Vereinzelung und Entfremdung von unserem Umfeld und von uns selbst sind also Ausdruck genauso wie Folge unserer auf Machtgefällen und Ungleichheit aufbauenden kapitalistischen Gesellschaft. Dem allem dient die Justiz, dient Strafe, dient Knast.

Wer sich nicht anpasst, wer am Ende sogar offen dagegen rebelliert, der*die muss in dieser Logik gestraft und zurück in Reih und Glied geschickt werden. Gelingt das nicht, so muss zumindest ein Exempel an ihm*ihr statuiert werden. So, wie die Justiz es auch heute wieder versuchen wird: Der Staat will abstrafen, dass sich Menschen miteinander solidarisiert haben, und dafür sorgen, dass beispielsweise die Verhinderung einer Abschiebung Anderen aus Angst vor Strafe nicht mehr in den Sinn kommt.
Denn was die angeklagten Schüler*innen und die anderen Aktivist*innen getan haben, als sie sich am 31.Mai vor das Polizeiauto gestellt und gesetzt haben, hat die Macht des Staates grundlegend infrage gestellt. Genauso jedoch fordert es den Staat heraus, wenn jemand im Supermarkt etwas zum Leben mitgehen lässt und dadurch der herrschenden Logik der Eigentumsverhältnisse ganz praktisch widerspricht. Und ebenso fühlen der Staat und die von ihm vertretenen Eigentümer*innen sich provoziert, wenn wir uns einfach die Häuser, Straßen und Plätze dieser Stadt nehmen, weil sie uns allen gehören sollten.

Das ganze Leben wird zum Widerspruch gegen die herrschende Systemlogik, wenn wir anfangen, es so zu gestalten, wie wir und alle, die hier sind und hier bleiben möchten, es wollen.
Deshalb straft ein Staat auch auf verschiedenen Wegen. Doch ob nun jemand wegen politischem Aktivismus oder wegen sogenannten Eigentumsdelikten bestraft wird; ob man in den Knast kommt, weil man eine Abschiebung verhindert hat oder weil man die alltägliche Schikane von Autoritäten nicht mehr hinnehmen wollte: Der Zweck der Justiz, die Herrschaftsverhältnisse so wie sie sind zu sichern, ist in allen Fällen gleich.

Man kann die Grundfesten des Staates nicht angreifen, ohne seine Gefängnisse anzugreifen. Freiheit ist nur dann umfassend gedacht, wenn sie für alle gilt. Heute reicht es uns nicht, nur Freiheit für “politische Gefangene” zu fordern, sondern die Freiheit aller Gefangenen!

Wir wollen nicht nur die Knäste in der Demokratie einreißen, sondern auch solche in vermeintlich emanzipatorischen Staaten. Gefangenschaft ist Unterdrückung, und solange wir selbst in unseren Utopien an diesem Muster festhalten, werden wir das eigentliche Übel der Herrschaft nicht los.
Lasst uns also daran arbeiten, eine wirklich positive Perspektive zu formulieren, die andere Wege des Umgangs mit Konflikten ermöglicht. Dazu gehört nicht nur eine Revolutionierung der Eigentumsverhältnisse und der patriarchalen Zustände, sondern eben auch das Ende von nationalem Denken, Abschottung und Rassismus, durch die Menschen eher gegeneinander als gegen die Ursachen ihrer Unterdrückung ausgespielt werden.

Die Demonstrant*innen vom 31.Mai haben darin einen Anfang gemacht. Lassen wir sie jetzt nicht allein. Ganz egal was am Ende des heutigen Prozesstages für unseren Genossen steht: Weder er noch wir werden ruhen, bis Herrschaft von Menschen über andere Menschen ein Ende hat. Bis alle Mauern eingerissen wurden; die zwischen Staaten genauso wie die der Abschiebeknäste und sämtlicher Gefängnisse!

Für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen – für die Anarchie!

Archiv: Rückblick auf die Tage gegen Repression

Die Tage gegen Repression vom 11. bis 13. Mai sind nun schon wieder über einen Monat her und wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal bei allen Referent*innen und Besucher*innen für den interessanten Input, die spannenden Diskussionen und die angenehme, solidarische Atmosphäre bedanken, die das Wochenende geprägt haben und trotz des unschönen Themas Mut gemacht und Energie für weitere Kämpfe gespendet haben.
Da jede*r sicherlich eigene Highlights hat und etwas anderes aus dem Wochenende zieht, wollen wir hier nur einen groben Überblick über das geben, was gelaufen ist, und eine kleine Einschätzung als organisierende Gruppe abgeben. Einige der Vorträge haben wir außerdem als Audios aufgenommen und unten im Artikel eingefügt.

Los ging alles am Freitag Abend mit dem Vortrag der Aktivistin, die im November 2016 die menschenverachtende AfD-Rassistin und Antifeministin Beatrix von Storch mit einer Torte bewarf. Weil die Aktivistin sich weigerte, die verhängte Geldstrafe zu zahlen, musste sie für zwei Wochen in den Knast. Über ihre Zeit hinter Gittern erzählte sie uns in einem persönlichen Erfahrungsbericht, angereichert mit politischen Hintergrundinformationen und Bewertungen, die am Ende entsprechend in der Forderung des gesamten Vortrags gipfelten: „Knäste abschaffen!“

Der Samstag begann mit einem veganen Brunch. Nachdem eine Autopanne die Ankunft der Genoss*innen vom Anarchist Black Cross Dresden verzögerte, verschob sich das ganze Programm um 1-2 Stunden nach hinten. So war jedoch genügend Zeit, bei Sonnenschein im Hof des Projekt 31 zu sitzen und sich in Gesprächen mit den anderen Besucher*innen auszutauschen. Die Zeit wurde auch von vielen genutzt, um Postkarten an Menschen zu schreiben, die gerade hinter Gittern sitzen. Dazu gab es einen kurzen Inputvortrag über das Wie und die Notwendigkeit davon, Inhaftierten zu schreiben.

Der Vortrag „Knast als Lebensrealität“ vom Anarchist Black Cross‘ aus Dresden vermochte den Zuhörer*innen am Nachmittag dann sehr verständlich und eindrücklich die Irrsinnigkeit des Knastsystems zu vermitteln. Es ging zudem um den Zweck, den diese besondere Form der Strafe zur Aufrechterhaltung von Staat und Kapitalismus hat. Die Vortragenden machten an dieser Stelle jedoch keinen Cut, sondern gaben anhand persönlicher Erfahrungen Tipps zu einem anderen, gemeinschaftlichen Umgang mit Konflikten, der sich anstatt institutionalisierter Rachegelüste immer an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert und die gesellschaftlichen Dimensionen von Gewalt maßgeblich mit einbezieht. Genannt seien hier insbesondere die aus dem englischsprachigen Raum stammenden Konzepte von Community Accountability und Transformative Justice, mit denen eine nähere Auseinandersetzung sehr lohnend ist.
So wurden die Zuhörerer*innen am Ende mit konkreten Ideen für einen konstruktiveren, lösungsorientierten Umgang mit Konflikten entlassen, der hoffentlich noch weitere Verbreitung auch über unsere Kreise hinaus finden wird.

Im Anschluss daran veranstalteten zwei Genossen der Rote-Hilfe-Ortsgruppe Nürnberg einen Workshop zum Umgang mit Repressionsbehörden. Dabei wurde dem Publikum der Inhalt des „Was tun wenn‘s brennt“-Klassikers ausführlicher und noch mehr in die Tiefe gehend auseinandergesetzt und es gab ausreichend Raum für Nachfragen und Diskussionen zu diesem Thema.

Der Tag schloss schließlich mit einer Lesung aus dem Ratgeber „Wege durch den Knast“. In gemütlicher Atmosphäre lauschten wir einem Referenten aus dem Redaktionskollektiv, der einzelne exemplarische Passagen vorstellte und Anekdoten rund um die Entstehungsgeschichte und Veröffentlichung erzählte. Es ging jedoch auch um die wachsende Zensur dieses ausführlichen, sehr hilfreichen Ratgebers für Inhaftierte, deren Freund*innen und Angehörige. Für die kommende Ausgabe wünschen wir den Genoss*innen aus der Wege-durch-den-Knast-Redaktion deshalb weiterhin viel Kraft und Erfolg. Wir hoffen, dass ihr Buch auch in Zukunft die Menschen hinter den Knastmauern erreichen wird und ihnen Tipps gibt, wie ein widerständiges Dasein im Kampf um Selbstbestimmung gegen die enorme Unterdrückung im Knast möglich sein kann.

Der Sonntag als letzter Tag war geprägt von noch praktischeren Inhalten: Zunächst referierte die Rote-Hilfe-Ortsgruppe noch einmal, diesmal über die Möglichkeiten, wie Aktivist*innen sich vor Gericht verhalten können, ohne Genoss*innen oder politische Ideale zu verraten. Dabei wurden für viele Zuhörerer*innen bestehende Unklarheiten zu rechtlichen Fragen bezüglich Justizverfahren aufgeklärt.

Beendet wurde das Wochenende schließlich mit einer Initiative für die Gründung einer Soligruppe der Gefangenengewerkschaft in Nürnberg, welcher Unterstützung „von außen nach innen“ für Inhaftierte geben könnte. Zwei Genossen von der basisdemokratischen GG/BO (Gefangenengewerkschaft/ Bundesweite Organisation) waren das ganze Wochenende über da und gaben nun an diesem letzten Themenpunkt praktische Tipps, wie der Aufbau einer Gewerkschaft hinter und über die Mauern des Knastes hinweg auch gegen den erwartbaren Widerstand der Gefängnisautoritäten gelingen kann.

Ein Konzept, das wir zukünftig öfter bei der Veranstaltung von Vorträgen realisieren möchten, war und ist, dass es während des Wochenendes durchgehend das Angebot von Kinderbetreuung gab. Dies gab auch Eltern die Möglichkeit, an allen Veranstaltungen teilzunehmen. Außerdem ist der belebende, erfrischende Effekt, den das Zusammenkommen von Menschen jeden Alters bei solchen politischen Veranstaltungen – gerade in Angesicht des ernüchternden Themas Repression – auf die Gemüter hat, nicht zu unterschätzen.

Die Teilnehmer*innenzahlen variierten bei den verschiedenen Veranstaltungen zwischen 15 und 25 Besucher*innen. Gemessen an der Unbeliebtheit des Themas, das von vielen aktiven Leuten doch eher gemieden wird, ist dies Zahl nicht ungewöhnlich. Allerdings hätte sie sicherlich noch gesteigert werden können, wenn wir das Wochenende früher und intensiver beworben hätten.
Insgesamt sind wir als veranstaltende Gruppe jedoch sehr zufrieden mit dem Verlauf der Tage gegen Repression. Ausgangspunkt dafür, sie zu organisieren, war zunächst unser eigenes Bedürfnis gewesen, uns zu diesem Themenkomplex zu bilden, selbst zu befähigen und die von Repression betroffenen Personen aus unserem direkten Umfeld besser unterstützen zu können. Das Gefühl, bezüglich Knast und Einsperrung gewissermaßen einen blinden Fleck zu haben, ließ sich durch die Veranstaltungen erfolgreich auflösen. Wir haben viel gelernt, uns ausgetauscht und vernetzt.

Nun gilt es, weiter gegen die Repression zu kämpfen, die gerade emanzipatorische Bewegungen betrifft, sowie Menschen, die „am Rande der Gesellschaft“ stehen oder der Logik von Staat, Rassismus und Kapitalismus widersprechen. Gerade in Nürnberg gilt es derzeit noch immer, die vielen angeklagten Protestierenden nach dem 31.Mai 2017 zu unterstützen, deren Prozesse sich sicherlich noch eine ganze Zeit lang hinziehen werden. Sie alle verdienen unsere Solidarität, egal ob sie unserem direkten Umfeld entstammen oder nicht, politisch aktiv sind oder im Knast als sogenannte „soziale Gefangene“ geführt werden würden. Jedoch sei an dieser Stelle auch explizit noch einmal die FdA-Kampagne Ausbruch, Aufbruch, Anarchie – Freiheit für Jan und alle anderen! beworben, die den genannten anarchistischen Genossen genauso wie alle anderen Angeklagten nach dem 31.Mai unterstützen will und überregional Solidarisierung mit von Repressionen Betroffenen schaffen möchte.

Als Anarchist*innen lehnen wir jede Form der Einsperrung, Unterdrückung von und Kontrolle über Lebewesen ab. Das gilt letztlich auch für alle Menschen. Wir müssen andere Formen und Wege finden, Konflikte beizulegen, denn der Staat löst sie gewiss nicht – seine „Lösungen“ bestehen darin, unliebsame Bewegungen zu kriminalisieren, Gewalt produzierende Gegensätze zu verschärfen und Menschen, die in der kapitalistischen Ordnung keinen Platz finden, wegzusperren.
Wenn wir sein Netzwerk von Herrschaft und Unterdrückung auflösen wollen, dürfen wir dabei nicht in ähnliche repressive Mechanismen verfallen, wie sie einem Staat zu eigen sind. Lasst uns das bei unserer täglichen politischen Arbeit niemals vergessen.

Hier die Audios der Vorträge:

Buchvorstellung: Wege durch den Knast

Anarchist Black Cross Dresden: Knast als Lebensrealität
Knäste abschaffen: Erzählung einer Tortenwerferin (folgt noch)
Rote Hilfe OG Nürnberg: Was tun vor Gericht? (folgt noch)

Archiv: 11.-13. Mai | Tage gegen Repression

Gefängnisse, Einsperrung und Unterdrückung gibt es schon so lange, wie Menschen über Menschen herrschen. Derzeit erleben wir jedoch ein Ausmaß an Verfolgung durch staatliche Organe, welches (zumindest in der jüngeren Vergangenheit) beispiellos ist. Einhergehend mit dem Rechtsruck und dem Diskurs um Sicherheit werden massive Gesetzesverschärfungen durchgepeitscht. Egal ob §§113/114 StGB oder das Polizeiaufgabengesetz (PAG) – widerständige Positionen sollen kriminalisiert, die Kompetenzen bei der Verfolgung ausgeweitet und das Strafmaß erhöht werden. Selbst bei Nichtigkeiten drohen inzwischen Haftstrafen.
Repression hat viele Gesichter
Dass Anquatschversuche, Drohungen, strafrechtliche Verfolgung und Knastaufenthalte nicht ohne spürbare Folgen für uns alle bleiben, ist nicht verwunderlich. Repression ist nicht nur die Androhung einer juristischen Verfolgung, sondern hat Auswirkungen auf unsere Psyche, kann uns im schlimmsten Fall lähmen und handlungsunfähig machen – das zumindest ist beabsichtigt. Doch wir fügen uns dem nicht! Wir sind solidarisch und wehren uns kollektiv, wir informieren uns, diskutieren und finden Möglichkeiten des Umgangs und des Widerstandes.
Höchste Zeit also, uns umfassend mit dem Thema auseinanderzusetzen! Zu diesem Zweck finden vom 11. – 13

Archiv: Vive la ZAD! Anarchistische Räume verteidigen!

Erklärung der Anarchistische Gruppe Nürnberg (Auf der Suche) gemeinsam mit dem selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentrum Projekt 31.

 

Seit dem 9.April läuft in Frankreich ein groß angelegter Angriff des Staates auf die ZAD in Notre Dame Des Landes in der Bretagne. ZAD steht für zone à défendre – zu verteidigende Zone – und bezieht sich auf ein riesiges Areal, auf dem der französische Staat seit den 1970er Jahren einen Flughafen in die Landschaft stampfen möchte. Gegen das Bauprojekt gibt es seit Jahrzehnten Widerstand. Ab 2009 wurde das Areal dann Stück für Stück besetzt und ist seither zu einem Ort des Lebens und des Widerstandes geworden; zu einem Ort der Solidarität und der Hoffnung, wo sich die Menschen von der Logik des Kapitals aktiv befreien und der Autorität des Staates nicht länger unterworfen sind.

Das alles versucht der französische Staat nun zu zerstören, zu vernichten und niederzureißen. Denn mit über 2.000 Hektar besetzten Landes stellte die ZAD die größte Besetzung in Europa da und hatte die Strahlkraft eines positiven Beispieles von gelebter Solidarität und alltäglichem antiautoritärem Widerstand. Und das ist noch immer so, denn sie wird verteidigt.

Wir senden unsere Solidarität zu den Kämpfer*innen, die sich gegenwärtig in der ZAD gegen die brutalen Angriffe tausender Riot-Cops zur Wehr setzen und dieses fortschrittliche Projekt verteidigen. Viel Kraft und Solidarität für alle, die dort und weltweit für autonome Freiräume kämpfen!

ZAD partout!