Archiv: Rückblick auf die Tage gegen Repression

Die Tage gegen Repression vom 11. bis 13. Mai sind nun schon wieder über einen Monat her und wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal bei allen Referent*innen und Besucher*innen für den interessanten Input, die spannenden Diskussionen und die angenehme, solidarische Atmosphäre bedanken, die das Wochenende geprägt haben und trotz des unschönen Themas Mut gemacht und Energie für weitere Kämpfe gespendet haben.
Da jede*r sicherlich eigene Highlights hat und etwas anderes aus dem Wochenende zieht, wollen wir hier nur einen groben Überblick über das geben, was gelaufen ist, und eine kleine Einschätzung als organisierende Gruppe abgeben. Einige der Vorträge haben wir außerdem als Audios aufgenommen und unten im Artikel eingefügt.

Los ging alles am Freitag Abend mit dem Vortrag der Aktivistin, die im November 2016 die menschenverachtende AfD-Rassistin und Antifeministin Beatrix von Storch mit einer Torte bewarf. Weil die Aktivistin sich weigerte, die verhängte Geldstrafe zu zahlen, musste sie für zwei Wochen in den Knast. Über ihre Zeit hinter Gittern erzählte sie uns in einem persönlichen Erfahrungsbericht, angereichert mit politischen Hintergrundinformationen und Bewertungen, die am Ende entsprechend in der Forderung des gesamten Vortrags gipfelten: „Knäste abschaffen!“

Der Samstag begann mit einem veganen Brunch. Nachdem eine Autopanne die Ankunft der Genoss*innen vom Anarchist Black Cross Dresden verzögerte, verschob sich das ganze Programm um 1-2 Stunden nach hinten. So war jedoch genügend Zeit, bei Sonnenschein im Hof des Projekt 31 zu sitzen und sich in Gesprächen mit den anderen Besucher*innen auszutauschen. Die Zeit wurde auch von vielen genutzt, um Postkarten an Menschen zu schreiben, die gerade hinter Gittern sitzen. Dazu gab es einen kurzen Inputvortrag über das Wie und die Notwendigkeit davon, Inhaftierten zu schreiben.

Der Vortrag „Knast als Lebensrealität“ vom Anarchist Black Cross‘ aus Dresden vermochte den Zuhörer*innen am Nachmittag dann sehr verständlich und eindrücklich die Irrsinnigkeit des Knastsystems zu vermitteln. Es ging zudem um den Zweck, den diese besondere Form der Strafe zur Aufrechterhaltung von Staat und Kapitalismus hat. Die Vortragenden machten an dieser Stelle jedoch keinen Cut, sondern gaben anhand persönlicher Erfahrungen Tipps zu einem anderen, gemeinschaftlichen Umgang mit Konflikten, der sich anstatt institutionalisierter Rachegelüste immer an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert und die gesellschaftlichen Dimensionen von Gewalt maßgeblich mit einbezieht. Genannt seien hier insbesondere die aus dem englischsprachigen Raum stammenden Konzepte von Community Accountability und Transformative Justice, mit denen eine nähere Auseinandersetzung sehr lohnend ist.
So wurden die Zuhörerer*innen am Ende mit konkreten Ideen für einen konstruktiveren, lösungsorientierten Umgang mit Konflikten entlassen, der hoffentlich noch weitere Verbreitung auch über unsere Kreise hinaus finden wird.

Im Anschluss daran veranstalteten zwei Genossen der Rote-Hilfe-Ortsgruppe Nürnberg einen Workshop zum Umgang mit Repressionsbehörden. Dabei wurde dem Publikum der Inhalt des „Was tun wenn‘s brennt“-Klassikers ausführlicher und noch mehr in die Tiefe gehend auseinandergesetzt und es gab ausreichend Raum für Nachfragen und Diskussionen zu diesem Thema.

Der Tag schloss schließlich mit einer Lesung aus dem Ratgeber „Wege durch den Knast“. In gemütlicher Atmosphäre lauschten wir einem Referenten aus dem Redaktionskollektiv, der einzelne exemplarische Passagen vorstellte und Anekdoten rund um die Entstehungsgeschichte und Veröffentlichung erzählte. Es ging jedoch auch um die wachsende Zensur dieses ausführlichen, sehr hilfreichen Ratgebers für Inhaftierte, deren Freund*innen und Angehörige. Für die kommende Ausgabe wünschen wir den Genoss*innen aus der Wege-durch-den-Knast-Redaktion deshalb weiterhin viel Kraft und Erfolg. Wir hoffen, dass ihr Buch auch in Zukunft die Menschen hinter den Knastmauern erreichen wird und ihnen Tipps gibt, wie ein widerständiges Dasein im Kampf um Selbstbestimmung gegen die enorme Unterdrückung im Knast möglich sein kann.

Der Sonntag als letzter Tag war geprägt von noch praktischeren Inhalten: Zunächst referierte die Rote-Hilfe-Ortsgruppe noch einmal, diesmal über die Möglichkeiten, wie Aktivist*innen sich vor Gericht verhalten können, ohne Genoss*innen oder politische Ideale zu verraten. Dabei wurden für viele Zuhörerer*innen bestehende Unklarheiten zu rechtlichen Fragen bezüglich Justizverfahren aufgeklärt.

Beendet wurde das Wochenende schließlich mit einer Initiative für die Gründung einer Soligruppe der Gefangenengewerkschaft in Nürnberg, welcher Unterstützung „von außen nach innen“ für Inhaftierte geben könnte. Zwei Genossen von der basisdemokratischen GG/BO (Gefangenengewerkschaft/ Bundesweite Organisation) waren das ganze Wochenende über da und gaben nun an diesem letzten Themenpunkt praktische Tipps, wie der Aufbau einer Gewerkschaft hinter und über die Mauern des Knastes hinweg auch gegen den erwartbaren Widerstand der Gefängnisautoritäten gelingen kann.

Ein Konzept, das wir zukünftig öfter bei der Veranstaltung von Vorträgen realisieren möchten, war und ist, dass es während des Wochenendes durchgehend das Angebot von Kinderbetreuung gab. Dies gab auch Eltern die Möglichkeit, an allen Veranstaltungen teilzunehmen. Außerdem ist der belebende, erfrischende Effekt, den das Zusammenkommen von Menschen jeden Alters bei solchen politischen Veranstaltungen – gerade in Angesicht des ernüchternden Themas Repression – auf die Gemüter hat, nicht zu unterschätzen.

Die Teilnehmer*innenzahlen variierten bei den verschiedenen Veranstaltungen zwischen 15 und 25 Besucher*innen. Gemessen an der Unbeliebtheit des Themas, das von vielen aktiven Leuten doch eher gemieden wird, ist dies Zahl nicht ungewöhnlich. Allerdings hätte sie sicherlich noch gesteigert werden können, wenn wir das Wochenende früher und intensiver beworben hätten.
Insgesamt sind wir als veranstaltende Gruppe jedoch sehr zufrieden mit dem Verlauf der Tage gegen Repression. Ausgangspunkt dafür, sie zu organisieren, war zunächst unser eigenes Bedürfnis gewesen, uns zu diesem Themenkomplex zu bilden, selbst zu befähigen und die von Repression betroffenen Personen aus unserem direkten Umfeld besser unterstützen zu können. Das Gefühl, bezüglich Knast und Einsperrung gewissermaßen einen blinden Fleck zu haben, ließ sich durch die Veranstaltungen erfolgreich auflösen. Wir haben viel gelernt, uns ausgetauscht und vernetzt.

Nun gilt es, weiter gegen die Repression zu kämpfen, die gerade emanzipatorische Bewegungen betrifft, sowie Menschen, die „am Rande der Gesellschaft“ stehen oder der Logik von Staat, Rassismus und Kapitalismus widersprechen. Gerade in Nürnberg gilt es derzeit noch immer, die vielen angeklagten Protestierenden nach dem 31.Mai 2017 zu unterstützen, deren Prozesse sich sicherlich noch eine ganze Zeit lang hinziehen werden. Sie alle verdienen unsere Solidarität, egal ob sie unserem direkten Umfeld entstammen oder nicht, politisch aktiv sind oder im Knast als sogenannte „soziale Gefangene“ geführt werden würden. Jedoch sei an dieser Stelle auch explizit noch einmal die FdA-Kampagne Ausbruch, Aufbruch, Anarchie – Freiheit für Jan und alle anderen! beworben, die den genannten anarchistischen Genossen genauso wie alle anderen Angeklagten nach dem 31.Mai unterstützen will und überregional Solidarisierung mit von Repressionen Betroffenen schaffen möchte.

Als Anarchist*innen lehnen wir jede Form der Einsperrung, Unterdrückung von und Kontrolle über Lebewesen ab. Das gilt letztlich auch für alle Menschen. Wir müssen andere Formen und Wege finden, Konflikte beizulegen, denn der Staat löst sie gewiss nicht – seine „Lösungen“ bestehen darin, unliebsame Bewegungen zu kriminalisieren, Gewalt produzierende Gegensätze zu verschärfen und Menschen, die in der kapitalistischen Ordnung keinen Platz finden, wegzusperren.
Wenn wir sein Netzwerk von Herrschaft und Unterdrückung auflösen wollen, dürfen wir dabei nicht in ähnliche repressive Mechanismen verfallen, wie sie einem Staat zu eigen sind. Lasst uns das bei unserer täglichen politischen Arbeit niemals vergessen.

Hier die Audios der Vorträge:

Buchvorstellung: Wege durch den Knast

Anarchist Black Cross Dresden: Knast als Lebensrealität
Knäste abschaffen: Erzählung einer Tortenwerferin (folgt noch)
Rote Hilfe OG Nürnberg: Was tun vor Gericht? (folgt noch)

Archiv: 11.-13. Mai | Tage gegen Repression

Gefängnisse, Einsperrung und Unterdrückung gibt es schon so lange, wie Menschen über Menschen herrschen. Derzeit erleben wir jedoch ein Ausmaß an Verfolgung durch staatliche Organe, welches (zumindest in der jüngeren Vergangenheit) beispiellos ist. Einhergehend mit dem Rechtsruck und dem Diskurs um Sicherheit werden massive Gesetzesverschärfungen durchgepeitscht. Egal ob §§113/114 StGB oder das Polizeiaufgabengesetz (PAG) – widerständige Positionen sollen kriminalisiert, die Kompetenzen bei der Verfolgung ausgeweitet und das Strafmaß erhöht werden. Selbst bei Nichtigkeiten drohen inzwischen Haftstrafen.
Repression hat viele Gesichter
Dass Anquatschversuche, Drohungen, strafrechtliche Verfolgung und Knastaufenthalte nicht ohne spürbare Folgen für uns alle bleiben, ist nicht verwunderlich. Repression ist nicht nur die Androhung einer juristischen Verfolgung, sondern hat Auswirkungen auf unsere Psyche, kann uns im schlimmsten Fall lähmen und handlungsunfähig machen – das zumindest ist beabsichtigt. Doch wir fügen uns dem nicht! Wir sind solidarisch und wehren uns kollektiv, wir informieren uns, diskutieren und finden Möglichkeiten des Umgangs und des Widerstandes.
Höchste Zeit also, uns umfassend mit dem Thema auseinanderzusetzen! Zu diesem Zweck finden vom 11. – 13

Archiv: Vive la ZAD! Anarchistische Räume verteidigen!

Erklärung der Anarchistische Gruppe Nürnberg (Auf der Suche) gemeinsam mit dem selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentrum Projekt 31.

 

Seit dem 9.April läuft in Frankreich ein groß angelegter Angriff des Staates auf die ZAD in Notre Dame Des Landes in der Bretagne. ZAD steht für zone à défendre – zu verteidigende Zone – und bezieht sich auf ein riesiges Areal, auf dem der französische Staat seit den 1970er Jahren einen Flughafen in die Landschaft stampfen möchte. Gegen das Bauprojekt gibt es seit Jahrzehnten Widerstand. Ab 2009 wurde das Areal dann Stück für Stück besetzt und ist seither zu einem Ort des Lebens und des Widerstandes geworden; zu einem Ort der Solidarität und der Hoffnung, wo sich die Menschen von der Logik des Kapitals aktiv befreien und der Autorität des Staates nicht länger unterworfen sind.

Das alles versucht der französische Staat nun zu zerstören, zu vernichten und niederzureißen. Denn mit über 2.000 Hektar besetzten Landes stellte die ZAD die größte Besetzung in Europa da und hatte die Strahlkraft eines positiven Beispieles von gelebter Solidarität und alltäglichem antiautoritärem Widerstand. Und das ist noch immer so, denn sie wird verteidigt.

Wir senden unsere Solidarität zu den Kämpfer*innen, die sich gegenwärtig in der ZAD gegen die brutalen Angriffe tausender Riot-Cops zur Wehr setzen und dieses fortschrittliche Projekt verteidigen. Viel Kraft und Solidarität für alle, die dort und weltweit für autonome Freiräume kämpfen!

ZAD partout!

Archiv: Aufruf | Solidarität mit den verfolgten Antifaschist*innen und Anarchist*innen in Russland!

Es gab in den letzten Monaten immer wieder Nachrichten darüber, dass anarchistische Antifaschist*innen in Russland vom Inlandsgeheimdienst FSB verschleppt und gefoltert werden. Neben ihrem Engagement gegen faschistische Umtriebe wird wohl auch eine anarchistische Kritik einer Gesellschaft, die auf den Grundlagen von Patriarchat und Nationalismus konstruiert ist, ein Dorn im Auge eines Regimes sein, welches in der ungebrochenen Tradition autoritärer Führerstrukturen steht. Wir rufen dazu auf, sich mit den betroffenen Gefährt*innen solidarisch zu zeigen.

Der Inlandsgeheimdienst FSB hat im Herbst 2017 eine Serie von Verhaftungen und Durchsuchungen von Wohnungen ihm bekannter Anarchist*innen und Antifaschist*innen durchgeführt. Sechs Anarchist*innen aus Penza wurden verhaftet und beschuldigt, einen Staatsstreich vorbereitet zu haben. Der einzige Beweis einer „Vorbereitung“ war die Tatsache, dass alle Gefangenen „Airsoft“ gespielt haben. Während mehrerer Monate waren sie täglicher Folter ausgesetzt, bis sie sich als schuldig bekannten. Zwei Anarchist*innen wurden im Januar 2018 in St. Petersburg verhaftet.

Auch sie wurden, wie die Anarchist*innen aus Penza, gefoltert. Beamte des FSB brachten sie dazu, Geständnisse abzulegen und diese vor den Ermittler*innen zu wiederholen. Einer der entführten Anarchist*innen wurde in einen Wald gebracht, wo er gefoltert wurde. Ilja Kapustin wurde auch verhaftet und gefoltert. Er hat nicht gestanden, weshalb sie ihn zu einen „Zeugen“ ernannten.

Im Februar und März richteten sich auch auf der Krim viele Razzien gegen Anarchist*innen und Sozialist*innen. Der erste der Verhafteten war Ewgeny Karakashev. Der Grund für die Verhaftung war eine Unterhaltung im sozialen Netzwerk “Vkontakte”. Einen Monat später fanden weitere Razzien gegen andere Anarchist*innen und Kommunist*innen dieser Halbinsel statt. Die Liste der Gefangenen auf der Krim schließt auch den Anarchisten Schestakovich (der auch gefoltet wurde) und den Kommunisten Markov mit ein, die für zehn Tage eingesperrt wurden.

Dann sind die Moskauer Anarchist*innen Kobaidze und Gorban verhaftet und beschuldigt worden, eine Attacke auf ein Büro der Regierungspartei „Vereinigtes Russland“ durchgeführt zu haben. Die Beamt*innen verweigerten den Verteidiger*innen Kontakt mit den Gefangenen, bis sie sich schuldig erklärten. Sie brachen mit allen Gesetzen.  Drei Anarchist*innen wurden in Chelyabinsk mit ihren Freund*innen und Angehörigen durch den FSB entführt. Auch sie wurden (mit Elektroschocker) gefoltert. Das geschah, um von ihnen erforderliche Zeugenaussagen sowie ihr Eingeständnis zu bekommen, sich an einer Transparentaktion gegen Repression beteiligt zu haben.

Jede anarchistische Kritik muss auch eine Kritik an Macht und Herrschaft sein und steht somit per Definition schon in Feindschaft zum Staat. Die Intensität mit der dieser Feind unsere Freund*innen in Russland bekämpft und zu brechen versucht, hat jedoch ein anderes Level als das, was uns hier entgegen tritt. Unser Respekt gilt daher dem Mut und der Entschlossenheit, mit denen die Anarchist*innen gegen den übermächtigen russischen Staat kämpfen.

Unterstützt die Gefährt*innen in Russland und zeigt Euch solidarisch! Keine Folter. Kein Knast. Keine Verschleppung!

Detaillierte Infos finden sich u.a. hier oder auf der Seite des Anarchist Black Cross Dresden.