Archiv: Rede zur Demo gegen Abschiebungen am 18.12.

 

Am 18.12. hielten wir anlässlich einer antirassistischen Demonstration in Nürnberg eine Rede gegen Nationen, Staaten und Grenzen. Diese Demo des Widerstand Mai31-Bündnisses wollte unter anderem auf einen Prozess am Folgetag aufmerksam machen, der sich gegen einen jungen Berufsschüler richtete, der am 31.Mai 2017 aus dem Klassenzimmer heraus abgeschoben werden sollte.
Wegen Widerstand und Sachbeschädigung wurde er am 19.12. unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu 100 Arbeitsstunden wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte mit tätlichem Angriff, Körperverletzung, Sachbeschädigung und unerlaubten Aufenthalts ohne Pass“ verurteilt. Das alles, nachdem sein wiederholtes Asylverfahren wenige Tage zuvor negativ beschieden worden war.

Wenn im gesellschaftlichen Diskurs und den Medien über Nationalgrenzen gesprochen wird, geht es in der Regel immer darum: Wie können die Grenzen eines Staates gestärkt, ausgebaut, besser bewacht, militarisiert werden. Was bei diesem Diskurs unweigerlich mitschwingt ist die Frage, was durch die entsprechende Grenze definiert wird. Explizit geht es darum, wer sich innerhalb dieser Grenzen aufhalten darf und wer nicht. Welche*r Mensch gehört zum Team „Volksgemeinschaft“ und welche*r nicht.
Durch die bloße Existenz der Idee „Grenze“ werden Menschen eingeteilt, sie werden gezwungen, sich willkürlich einer Zuschreibung von Nationalität zu unterwerfen. Mit der Aufspaltung der Menschheit in Nationen werden automatisch vermeintliche Vergleichbarkeiten dazwischen aufgemacht.
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Geburtenrate, Kriminalitätsrate – anhand unzähliger Kategorien werden Nationalstaaten miteinander ins Verhältnis gebracht. Was daraus folgt ist eine Hierarchisierung der Welt. Die Weltbewohner*innen werden in ein stark hierarchisches Netzwerk aus „Gewinner*innen-Nationen“ und den Verlierer*innen gepresst.
Die wirtschaftlich am brutalsten Unterdrückten, die im globalen Kapitalismus aufgrund von autoritären Regimen in Zusammenarbeit mit europäischem Wirtschaftsimperialismus auf der Verlierer*innen-Seite stehen, haben vor allem im gobalen Süden gegen wirtschaftliches und humanistisches Elend und Benachteiligung zu kämpfen.
Menschen verlieren die Möglichkeit, in Frieden und Sicherheit zu leben und begeben sich deshalb auf die gefährliche und kräftezehrende Reise in andere Gebiete – oft nach Europa oder in die USA. Wenn sich die Unterdrückten in Zeiten von Internet und Globalisierung aufmachen, um ihr Menschenrecht auf ein würdevolles Leben einzufordern, ist das nicht nur verständlich – es ist eine logische Konsequenz.
Die von Rassist*innen erfundenen Metaphern wie „Flüchtlingswelle“ befeuern den gesellschaftlichen, rassistischen Diskurs zur Geflüchtetenfrage. Doch dieses „Wir gegen Die“ ist nicht nur stumpfer, dummer Rassismus. Dahinter steckt eine Systemlogik. Die Spaltung von Menschen – Nationalstaaten eignen sich hierfür besonders gut – dient strukturell der Erhaltung des kapitalistischen Gesellschaftssystems.
Wirtschaftlich Ausgegrenzte und Niedergeschlagene erhalten durch die künstliche Trennung eine Projektionsfläche, um ihren Unmut und ihr Unglück über die globalen Lebensbedingungen wie Freiheitsentzug und Arbeitszwang in anderen Menschen zu suchen und nicht im System an sich. Opfer dieser systematisch fehlgeleiteten Schuldzuweisungen sind zumeist Gruppen, denen es noch schlechter geht als der eigenen. Sie bieten eine einfache Zielscheibe, denn es scheint leichter zu sein, nach unten zu treten als nach oben.
Genau das ist einer der Gründe, warum wir hier auf der Straße stehen. Wir wollen zeigen, dass wir uns nicht durch das System spalten lassen und in jeder Lebenssituation, zu jedem Zeitpunkt radikal dafür einstehen, unsere Kämpfe für eine befreite Gesellschaft gemeinsam und selbstverwaltet zu führen.
Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gelten allen direkt von Flucht Betroffenen. Wir sind nicht allein, wir setzen uns zu Tausenden für eine freie Welt ohne Grenzen ein. Wir werden unseren Kampf weiterführen, bis wir alle Grenzen eingerissen, die letzten Akten geschreddert und die letzten Gefangenen aus den Knästen der Justiz und den Knästen des Kapitalismus befreit haben.

Auf zur Beendigung dieser Farce! Solidarität muss praktisch werden!

Archiv: Gedanken zu den Brandanschlägen in Frankfurt a.M.

Die Brandanschläge auf linke Projekte in Frankfurt kommen nicht aus heiterem Himmel. Der rechten Hetze folgen längst Taten – umso mehr ein Grund, solidarisch miteinander zu sein und der aufkommenden Faschisierung entgegenzutreten! Folgender Flyertext wurde von uns auf der antifaschistische Stadtteildemo in Gostenhof am 22.12.18 verteilt:

Brandanschläge auf linke Projekte in Frankfurt und Umgebung – Solidarität mit den Betroffenen und Kampf dem Faschismus!

In den vergangenen Wochen kam es in Frankfurt a.M. und der näheren Umgebung zu einer Serie von Brandanschlägen auf linke Projekte. Nicht in allen Fällen konnten die Brände rechtzeitig gelöscht werden, bevor ein größerer Schaden entstand. Die meisten der betroffenen Projekte waren bewohnt oder lagen in dicht bebauten Wohngebieten. Der Tod von Menschen wurde somit billigend in Kauf genommen, wenn nicht gar beabsichtigt.(1)

Dies geschieht in einer Zeit, in der in Deutschland und an vielen anderen Orten auf der Welt Stimmung gegen emanzipatorische Projekte und Lebensweisen gemacht wird. Die Faschisierung schreitet nicht nur auf der Straße und in den Köpfen voran, sondern findet ihren Widerhall auch in den Parlamenten – und in rechtsterroristischen Zusammenschlüssen, von denen der mörderische NSU nur der bekannteste, aber bei weitem nicht der einzige ist. So wurde in den vergangenen Wochen die Existenz eines rechtsradikalen Netzwerkes in der Bundeswehr bekannt, in dem auch Mitarbeiter*innen des Verfassungsschutz, der Polizei und Richter*innen aktiv sind, die zusammen Umsturzpläne für einen „Tag X“ schmieden und bereits die systematische Internierung und Tötung politischer Gegner*innen entwerfen.(2) Und in Frankfurt – wiederum – macht gerade eine sich selbst als „NSU 2.0“ betitelnde, rechte Zelle von mindestens fünf Polizist*innen Schlagzeilen, die u.a. Todesdrohungen gegen eine Anwältin verschickten, die im NSU-Prozess die Familie eines der ermordeten Menschen vertrat.(3)

All das ist umso erschreckender, wenn man bedenkt, dass es lediglich die Spitze eines sehr großen und ständig wachsenden Eisberges ist. Die alltäglich gewordene Hetze gegen und Jagd auf Menschen, die als „migrantisch“ definiert werden, geht Hand in Hand mit Anschlägen auf Wohnhäuser (seien sie von Geflüchteten bewohnt oder eben linken Wohnprojekte) genauso wie auf Menschen. Der Schock darüber weicht allzu schnell einer schulterzuckenden Gleichgültigkeit, wenn nicht gar klammheimlichen Freude bei einigen. Diese Verschiebung des gesellschaftlichen Klimas hin zu einem, in dem Rassismus, Sexismus und ganz allgemein menschenverachtende Ansichten ohne jede Skrupel wieder offen propagiert und anerkannt werden, ließ sich über die letzten Jahre immer deutlicher beobachten. Eine antifaschistische Grundhaltung, die eigentlich common sense sein sollte, wird als „political correctness“ verschrien und durch menschenfeindliche Rhetorik ersetzt.

In Anbetracht all dessen wundert es nicht, dass diesen Worten bereits Taten folgen. Längst geht es nicht mehr nur darum, unsere kleiner werdenden Freiräume zu verteidigen und eine Schadensbegrenzung vorzunehmen. Nein, es geht um alles; es geht darum, einem wiederaufkeimenden Faschismus von Anfang an den Weg zu versperren.
Es liegt in unserer Hand, gemeinsam das Ruder herumzureißen und in eine Richtung zu steuern, die der Faschisierung ein solidarisches Gesellschaftsmodell entgegenstellt und sie somit ausbremst. In Richtung vollständiger Emanzipation jenseits von staatlicher oder sonstiger Autorität. Eine offensiv-antifaschistische Richtung, welche die Grund-bedingungen von Spaltung angeht und den Kapitalismus bekämpft anstatt derer, die darunter leiden!

Wir sind solidarisch mit allen betroffenen Projekten und Personen der jüngsten Anschläge!
Kampf dem Faschismus – für eine anarchistische Gesellschaft von Freien und Gleichberechtigten!

(1) Chronologie der Ereignisse: Am 14. Sept. brannte das Wohnprojekt Knotenpunkt des Mietshäusersyndikats in Schwalbach am Taunus nieder; am 13. Nov. war bereits versucht worden, die seit 35 Jahren besetzte AU sowie das nahegelegene Wohnprojekt Assenland anzuzünden, ebenfalls Teil des Mietshäusersyndikats. Am 15. Nov. brannte eine Gartenlaube der AU und am 16. Nov. wurde dann versucht, ein der AU zugeordnetes Fahrzeug anzuzünden. Am 3. Dez. wurde ein Bauwagen des Hanauer Mietshäusersyndikat-Projekts Schwarze 79 angezündet und schwer beschädigt. Zuletzt konnten glücklicherweise zwei Brandanschläge auf das Cafe ExZess am 9. und 10. Dez. rechtzeitig entdeckt und ohne größeren Schaden gelöscht werden. Letzterer erfolgte während des gut besuchten Montagscafés.
(2) Quelle z.B.: http://www.taz.de/!5548926/
(3) Quelle z.B.: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/frankfurt-mutmassliche-rechtsextreme-zelle-in-der-polizei-was-ueber-den-nsu-2-0-bekannt-ist-a-1244092.html

Archiv: Brandanschläge: Solidarität mit den Projekten in Frankfurt und Umgebung!

Solidaritätserklärung der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen

In den vergangenen Wochen kam es in Frankfurt a.M. und der näheren Umgebung zu einer Serie von Brandanschlägen auf linke Projekte, von denen leider zwei erfolgreich waren. In sechs Fällen konnten die Brände rechtzeitig gelöscht werden. Die meisten der betroffenen Projekte waren bewohnt oder lagen in dicht bebauten Wohngebieten, der Tod von Menschen wurde billigend, wenn nicht gar beabsichtigt, in Kauf genommen. Am 14. September brannte das Wohnprojekt Knotenpunkt des Mietshäusersyndikats in Schwalbach am Taunus nieder; am 13. November wurde versucht, die seit 35 Jahrten besetzte AU, sowie das nahegelegene Wohnprojekt Assenland anzuzünden, ebenfalls Teil des Mietshäusersydikats; am 15. November brannte eine Gartenlaube der AU und am 16. November wurde dann versucht ein der AU zugeordnetes Fahrzeug anzuzünden. Am 3. Dezember wurde ein Bauwagen des Hanauer Mietshäusersyndikat-Projekts Schwarze 79 angezündet und schwer beschädigt. Zuletzt konnten glücklicherweise zwei Brandanschläge auf das Cafe ExZess am 9. und 10. Dezember rechtzeitig entdeckt und ohne größeren Schaden gelöscht werden. Letzterer erfolgte während des gut besuchten Montagscafés.
Dies geschieht in einer Zeit, in der Parlamente in Deutschland und an vielen anderen Orten auf der Welt Stimmung gegen emanzipatorische Projekte machen. Auch in Frankfurt gab es Angriffe der Politik gegen unter anderem die AU und das ExZess. Es wundert uns nicht, dass den Worten nun Taten folgen. Während islamistischer Terrorismus zu Recht verurteilt wird, sehen der Staat und die Gesellschaft bei rechtem Terror grundsätzlich weg – wie unter anderem der NSU-Prozess deutlich gezeigt hat. Die Allgemeinheit muss endlich eine offensive Position gegen den Rechtsruck beziehen.

Wir sind solidarisch mit allen betroffenen Projekten und Personen. Kampf dem Faschismus!

_____________________
Weitere Solidaritätserklärungen und Informationen verlinken wir hier der Vollständigkeit halber:

Pressemitteilung »Faites votre jeu!«, 09.12.2018

Pressemitteilung Mietshäuser Syndikat Regionale Koordination Rhein-Main, 9.12.2018

Presseerklärung ExZess, 10.12.2018